Mythos Venedig – fantastische Kunstwerke im Bucerius Kunst Forum

Das Bucerius Kunst Forum präsentiert in der ersten großen Venedig-Ausstellung in Hamburg Gemälde der Lagunenstadt vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Schau „Venedig. Stadt der Künstler“ läuft bis zum 15. Januar 2017.

Venedig gilt als Projektionsfläche unerfüllter Träume und Sehnsuchtsort, in dem Schönheit und Vergänglichkeit nah beieinander liegen. Wie keine andere Stadt hat „La Serenissima“ (der Beiname Venedigs bedeutet „Die Durchlauchtigste“) in den vergangenen Jahrhunderten ihre Besucher – heute boomt der Massentourismus in Venedig mit mehr als 30 Millionen Gästen jährlich – wie auch internationale Künstler herausgefordert und in ihren Bann gezogen. Bis heute hält die Inspirationskraft der Biennale-Stadt an.

In der von Inés Richter-Musso kuratierten Ausstellung „Venedig. Stadt der Künstler“ sind rund 100 Gemälde, Zeichnungen, Drucke Fotografien von 34 internationalen Leihgebern zu sehen. Darunter Werke bekannter Künstler wie Canaletto, William Turner, Claude Monet, Wassily Kandinsky, Gerhard Richter und Candida Höfer. Wie man es vom Bucerius Kunst Forums kennt, hat auch die in Italien lebende Gastkuratorin Richter-Musso eine neue Perspektive für die Schau gesucht. Thematisch steht nun erstmals der Blick zahlreicher internationaler Künstler auf die Stadt im Vordergrund – nicht die Malerei der Venezianischen Schule, sondern die intensive Erfahrung der Stadt und ihre malerischen Umsetzungen. Von 1500 bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts feierten die Maler Venedig als Stadt des Sehens: Wasser, Schiffe und Prozessionen boten einem großen Publikum immer ein Schauspiel. Ihr Blick auf die Stadt prägte das Bild von Venedig. So ist die Ausstellung gegliedert nach Themen (sechs Blöcke), mit denen sich die Künstler in der Lagunenstadt beschäftigt haben. Der Schwerpunkt liegt auf dem 18. und 19. Jahrhundert.

„Venedig war in der Renaissance auf dem Höhepunkt der Macht und Schnittstelle zwischen dem Byzantinischen Reich und dem Westen. Das hat eine ganze eigene Atmosphäre geschaffen, die seit Jahrhunderten Besucher fasziniert“, sagte der neue künstlerische Direktor des Bucerius Kunst Forums, Dr. Franz Wilhelm Kaiser, auf der Pressekonferenz am 29. September 2016. Die Ausstellung, die mit den offiziellen Portrait eines Dogen, eines Oberhaupts Venedigs aus dem 16. Jahrhundert, beginnt und mit Martin Kippenbergers „Sozialkistentransporter“ von 1989 endet, spanne einen ganz großen Bogen und werfe am Ende auch einen kritischen Blick auf die Vergänglichkeit der Stadt, die heute überflutet wird von Touristen. Das dokumentiere ein Film, der in der Ausstellung gezeigt werde. Dazwischen gebe es „ein Feuerwerk fantastischer Bilder“, so Kaiser.

Künstler dokumentieren als Zeitzeugen

Schon um 1500 zeigten venezianische Gemälde, anders als in anderen Städten, Darstellungen von Prozessionen und Staatszeremonien vor der realistisch wiedergegebenen Stadtkulisse. Diese repräsentative Funktion der Erkennbarkeit der Stadt spiegelt sich auch in den Portraits der Dogen wider, etwa in Carpaccios Darstellung von Leonardo Loredan oder Tintorettos Porträt des Dogen Alvise Mocenigo.

Entwicklung der Vedute als venezianischer Leitgattung

Während im 18. Jahrhundert der wirtschaftliche Abstieg begann, erlebte die Stadtansicht Venedigs in der Malerei ihre Blüte. Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto, und seine Werkstatt etablierten das Genre der Vedute als venezianische Leitgattung. Ansichten des Canal Grande, des Markusplatzes, der Basilika und des Dogenpalastes mit den ankernden Schiffen dokumentierten und glorifizierten die bauliche Pracht. Mit Francesco Guardi fand die repräsentative Vedute dann ihren Ausklang. Die melancholische Note seiner Malerei deutet bereits Reaktionen auf den Niedergang einer Gesellschaft und einer Epoche an. Diese finden sich auch in den Beobachtungen des zeitgenössischen Alltags und der Vergnügungskultur bei Pietro Longhi und Gabriel Bella.

Vergänglichkeit und Schönheit

Nach der Herrschaft Napoleons lagen 1815 das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben Venedigs und die lokale Kunstproduktion am Boden. Die Stadt blieb jedoch Ziel englischer Künstler, die in der Tradition der Grand Tour nach Venedig reisten. Zu den ersten Malern, die im 19. Jahrhundert nach Venedig kamen, gehörte William Turner. Seine Malerei löste die traditionelle Vedute in einem von Licht, Luft und Wasser abhängigen Wahrnehmungserlebnis auf. Das verfallende Venedig gab Künstlern wie John Ruskin neue Sujets. Zum Ende des Jahrhunderts suchten Amerikaner wie John Singer Sargent und James Whistler ihre Motive weit ab von der Piazza San Marco und machten einsame Gassen und schmale Seitenkanäle bildwürdig.

Die französischen Maler brachten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts den subjektiven Blick auf die flüchtigen Momente mit. Das südliche Licht, der weite Himmel über der Lagune und Spiegelungen der Fassaden im Wasser boten sich der impressionistischen Malweise ideal an. Künstler wie Eugène Boudin oder Claude Monet fingen in ihren Werken die flirrende Atmosphäre der Stadt ein. Die seit Jahrhunderten bestehende Anziehungskraft Venedigs für Künstler aus zahlreichen Ländern Europas und Amerika wurde am Ende des 19. Jahrhunderts institutionalisiert, als 1895 mit der Biennale die erste Weltausstellung der Kunst veranstaltet wurde. Zur Biennale treffen sich nach wie vor Künstler aus aller Welt in Venedig, auch wenn der Ort nur selten thematisiert wurde und wird.

Weitere Information: www.buceriuskunstforum.de

Der Beitrag (hier in gekürzter Form, ohne Abbildungen) ist am 4. Oktober 2016 im regionalen Online-Nachrichtenportal www.business-on.de/hamburg erschienen.

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